Unsere Welt ist in einer tiefen Krise. Kriege toben, der Klimawandel bedroht ganze Landstriche und viele Menschen fragen sich: Auf was können wir überhaupt noch hoffen? Ein Blick in die Bibel – besonders in die Schöpfungserzählung und die folgenden Kapitel (Urgeschichte genannt) – gibt uns Hoffnungsperspektiven, die aktueller denn je sind.
Krisen gab es schon immer. Eine einschneidende schauen wir uns zu Beginn an – denn in ihrem Einfluss stehen wir noch heute:
Lissabon 1755: Der Zusammenbruch einer optimistischen Weltsicht
Am 1. November 1755 (an Allerheiligen) erschütterte ein verheerendes Erdbeben (und Tsunami) die Stadt Lissabon. Rund 50’000 Menschen starben, 85 % der Gebäude wurden zerstört. Besonders schockierend war die Symbolik dieses Ereignisses: Während viele Menschen, die sich in der Kirche befanden, starben, blieb das Rotlichtviertel verschont.
Dieses Ereignis markierte einen tiefen Einschnitt in das damalige Denken. Die bis dahin optimistische Weltsicht, dass sich die Welt kontinuierlich verbessern und das Reich Gottes bald überall verbreitet sein würde, zerbrach.
Auch heute stehen wir angesichts von Naturkatastrophen wie den Erdbeben in der Türkei und Syrien (2023), den Unwetter in Spanien, dem Ukraine-Kriegs und dem Nahost-Konflikt vor der Frage: Auf was können wir hoffen?
Unsere Krisen heute: Krieg und Klima
Das Sorgenbarometer zeigt: Der Klimawandel gehört zu den grössten Sorgen von Herr und Frau Schweizer. Gleichzeitig leben wir mit der Bedrohung durch Kriege, wirtschaftliche Unsicherheit und den schnellen Wandel durch Technologien wie KI. Wer weiss schon, was die Zukunft bringt. Es ist leicht, sich angesichts dieser Herausforderungen in Fatalismus (“es kommt sowieso gut/schlecht”) oder blindem Aktionismus (“Hauptsache wir tun irgendetwas!”) zu verlieren. Doch beides greift zu kurz.
Die Bibel bietet uns eine andere Perspektive – eine Perspektive der Hoffnung, die weder billiger Optimismus (“Es wird schon gut kommen…”) noch pure Verzweiflung (“alles ist verloren!”) ist.
Hoffnung in der Schöpfungserzählung
Ja, in der Schöpfung gibt Gott etwas aus der Hand. Er schafft Raum für die Freiheit seiner Geschöpfe – aus Liebe; sonst wären wir Marionetten. Doch genau diese Freiheit birgt auch die Möglichkeit für – manchmal selbstverschuldete – Krisen.
Die Schöpfungserzählung in Genesis 1 (1. Mose 1) wurde vermutlich in einer Zeit geschrieben, die der unseren in manchem ähnlich war: Nach dem babylonischen Exil lebte das jüdische Volk in einer andauernden Krise. Ihr Land und König haben sie verloren, die babylonische Kultur erschien übermächtig. Genau in diese Situation spricht Genesis 1 eine beruhigende, aber hoffnungsvolle Wahrheit: Gott ist der Schöpfer, der Ordnung ins Chaos bringt. Die klar strukturierte und beinahe monotone Sprache dieser Erzählung vermittelt Ruhe und Sicherheit – der Stil ist Teil des Inhalts. Sie betont das souveräne Schöpferhandeln Gottes – auch durch die Art, wie es geschrieben ist.
“1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer [= chaotisch], und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4 Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis 5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. 6 Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. 7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. 8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag. 9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so.” 1 Mose 1,1-9
Dieser Gott, der Ordnung ins Chaos bringt, ist mit uns und mischt sich immer wieder in unsere Welt ein. Das schliesst Krisen (wie wir unschwer feststellen können) nicht aus. Dennoch bieten uns diese Texte eine Hoffnung an, indem sie uns Gott als den souveränen Schöpfer präsentieren. Sie sagen: “Da ist einer, der uns nicht aufgegeben hat – und er ist der Schöpfer von Himmel und Erde.”
Die Zusage an Noah: Eine Sicherheitsgarantie für die Welt
Nach der Sintflut macht Gott eine bemerkenswerte Zusage an Noah:
«[…] der Herr sprach in seinem Herzen: Ich will künftig den Erdboden nicht mehr verfluchen um des Menschen willen, obwohl das Trachten des menschlichen Herzens böse ist von seiner Jugend an; auch will ich künftig nicht mehr alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe. Von nun an soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, solange die Erde besteht!» 1. Mose 8:21-22
Diese Zusage ist eine Zusage trotz (!) menschlichen Versagens. Dieser Bund baut auf Gottes Treue, nicht auf uns Menschen. Es ist ein blosser Entschluss Gottes. Diese Zusage gilt auch heute: Obwohl wir Menschen Raubbau an der Natur betreiben und Konflikte schüren, gibt Gott der Welt eine „Sicherheitsgarantie“. Er überlässt uns und die Schöpfung nicht uns selbst. Er gibt die Welt und uns Menschen nicht auf. Das ist pure Gnade – und das spendet Hoffnung.
Hoffnung, die aus der Zukunft auf uns zukommt
Eine faszinierende Perspektive der biblischen Hoffnung zeigt sich in der hebräischen Denkweise: Die Vergangenheit liegt darin nicht hinter uns, sondern vor uns. Der Gott, der sich in der Geschichte bewährt hat (und darum die verlässliche Wirklichkeit ist), ist der Gott, der in Zukunft auf uns zukommt. Aus der Vergangenheit kommt uns – in Gott – die Zukunft entgegen. Der Gott, der Ordnung ins Chaos gebracht hat (vgl. 1 Mose 1), begegnet uns mit der Zusage: „Du hast Zukunft (und darum Hoffnung), wenn du dich auf mich verlässt. Ich bin die verlässliche Wirklichkeit.“
Diese Hoffnung gibt uns Orientierung und Kraft, Verantwortung zu übernehmen – ohne in blinden Aktionismus oder resignierenden Fatalismus zu verfallen.
Fazit: Auf was können wir hoffen?
Ja, unsere allzu optimistische Weltsicht ist zerbrochen. Doch Gott hat die Welt und uns niemals aufgegeben. Die Schöpfungsgeschichte zeigt, dass Gott etwas aus der Hand gegeben hat, aber uns niemals aufgegeben hat. Seine Treue und Gnade – die auch unsere Bosheit erträgt – spenden uns Hoffnung – eine Hoffnung, die uns befähigt, unsere Verantwortung wahrzunehmen und mit Sinn und Zuversicht zu leben.
Quellen:
Gertz, Jan Christian 2021. Das erste Buch Mose Genesis die Urgeschichte Gen 1-11. 2., veränderte Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Westermann, Claus 1999. Genesis Kapitel 1-3. Bd. 1, 4. Aufl. (1. Aufl. der Studienausg.). Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl.
Westermann, Claus 1999. Genesis Kapitel 4-11. Bd. 2, 4. Aufl. (1. Aufl. der Studienausg.). Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verl.
Hempelmann, Heinzpeter 2020. Kennt Gott mein Leid? Fragen an den Gott, der Liebe genannt wird. Giessen: Brunnen Verlag.
Hempelmann, Heizpeter und Schmid, Manuel, 2024. Podcast Mindmaps: Johann Gottfried Herder: Bestimmt Sprache unsere Wirklichkeit? (ab Minute 50): https://podcasts.apple.com/ch/podcast/mindmaps-der-philosophiepodcast/id1586515346?i=1000673714060
Wright, N. T. 2019. History and Eschatology: Jesus and the Promise of Natural Theology. The 2018 Gifford Lectures. Waco, Texas: Baylor University Press.