Ein Blogpost zur Nachfolge zwischen Leichtigkeit und Ernst – inspiriert von Bonhoeffers Buch “Nachfolge”.
Nachfolge: Eher Slalom als Abfahrt
In der Sprach vom alpinen Skifahren: Nachfolge gleicht eher einem Slalom als einer Abfahrt. In der Nachfolge Jesu sind Richtungswechsel vorprogrammiert – spätestens nach 18 Metern (so besagen es die FIS-Regeln). Einmal die Balance finden und sie dann für immer halten? Das ist eher eine Illusion. Wer versucht, im Glauben eine perfekte Ausgewogenheit zu halten, wird scheitern. Es geht nicht darum, die perfekte Richtung zu finden und dann unbeirrt daran festzuhalten. In der Nachfolge geht es nicht um ein statisches Gleichgewicht, sondern um einen lebendigen Rhythmus. Hören wir Bonhoeffer zu, was er dazu meint. Ihm, der in der Nachfolge von Jesus zum Märtyrer wurde.
Das sanfte Joch
Jesus biete uns das sanfte Joch an. Er sagt:
„Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn das Joch, das ich auferlege, drückt nicht (ist sanft), und die Last, die ich zu tragen gebe, ist leicht.“
Matthäus 11,28–30
Das „Joch“ ist in der Bibel primär eine Herrschaftsmetapher. Jesus lädt uns ein, sich seiner Herrschaft und Leitung zu unterstellen – nicht unter Zwang, sondern aus Barmherzigkeit. Er ist verständnisvoll, gnädig und dienend, nicht wie die Schriftgelehrten. In seiner Gegenwart geschieht Heil. Seine Herrschaft ist eine befreiende Herrschaft.
Bonhoeffer schreibt dazu:
„In der Nachfolge kommen die Menschen aus dem harten Joch ihrer eigenen Gesetze unter das sanfte Joch Jesu Christi.“
und:
„Jesus Christus, der Nachfolge gebietet, weiß allein, wo der Weg hingeht. Wir aber wissen, daß es ganz gewiß ein über alle Maßen barmherziger Weg sein wird. Nachfolge ist Freude.“
Das sanfte Joch biete uns Ruhe und Sicherheit. Es kann bedeuten: Du bist von Gott angenommen und geliebt. Gottes bedingungsloses Ja über deinem Leben steht – und es wird auch nicht in Frage gestellt. Er ist uns wohlwollen zugewandt. Bei ihm finden wir Annahme und Liebe – bei ihm können wir sein.
Die teure Gnade
Nun folgt ein Richtungswechsel. Bonhoeffer führt zu der teuren Gnade aus:
„Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abendmahl ohne Bekenntnis der Sünden, ist Absolution (Zuspruch der Sündenvergebung) ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus. Teure Gnade ist der verborgene Schatz im Acker, um dessentwillen der Mensch hingeht und mit Freuden alles verkauft, was er hatte.“
Die teure Gnade konfrontiert uns. Sie nimmt uns in Anspruch. Sie aktiviert und mobilisiert uns für das Reich Gottes. Sie ist teuer, weil sie (alles) kostet. Gleichzeitig schenkt sie neues Leben. Bonhoeffer schreibt weiter:
“Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft, Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet, Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben erst schenkt; teuer ist sie, weil sie die Sünde verdammt, Gnade, weil sie den Sünder rechtfertigt. Teuer ist die Gnade vor allem darum, weil sie Gott teuer gewesen ist, weil sie Gott das Leben seines Sohnes gekostet hat.”
Die teure Gnade ruft uns zur Umkehr. Zur Vergebung. Zur Feindesliebe. Zur Bereitschaft, das Kreuz auf sich zu nehmen. Dazu, alles aufzugeben für das Reich Gottes. Nachfolge kann teuer werden. Bonhoeffer hat die Nachfolge das Leben gekostet.
Slalom fahren – mit Gottvertrauen
Der Weg der Nachfolge ist kein Balanceakt zwischen sanftem Joch und teurer Gnade. Es ist ein Slalom – ein Rhythmus, geprägt vom Nachkorrigieren und von Richtungswechsel. In die Nachfolge gibt es aber einen richtigen Einstieg: Das sanfte Joch. Die Güte Gottes führt uns zur Umkehr (vgl. Rom 2,4). Die Güte Gottes kommt vor der Umkehr. Wer das sanfte Joch von Jesus nicht erlebt hat, wird im Lauf der Nachfolge kaum bestehen. Wer aber die Freude und Schönheit dieser Einladung erlebt hat, wird bereit sein, alles zu geben für den Schatz im Acker. Friedrich Nietzsche formulierte einst sehr treffend:
„Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen! […] allein die Schönheit sollte Busse predigen. Aber wen überredet wohl diese vermummte Trübsal!“
Vielleicht liegt hier ein Schlüssel: Nur wer die Schönheit der Nachfolge kennt – das sanfte Joch erlebt hat -, kann glaubwürdig von Jesus zeugen.
Mir stellt sich dann jeweils die Frage: Wie könne wir sicher sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind und nicht in Beliebigkeit oder Fanatismus abdriften? Nun, das können wir abschliessend nicht sein. Ganz sicher werden wir nie sein, wenn es um unseren Glauben geht. Aber: Wir leben im Vertrauen auf einen Gott, der die Macht hat, uns auf dem rechten Weg zu bewahren:
„Dem, der die Macht hat, euch vor jedem Fehltritt zu bewahren, sodass ihr untadelig und voller Freude und Jubel vor seinen Thron treten könnt …“ (Judas 1,24)
In der Nachfolge gibt es keine letzte Sicherheit. Bonhoeffer hat intensiv mit der Frage gerungen, ob er sich am Attentat auf Hitler beteiligen soll – er hat sich schlussendlich dafür entschieden. Bonhoeffer wusste aber, dass er sich womöglich dadurch versündigt. Er hat darauf vertraut, dass dem, der im Glauben (in der Nachfolge) etwas wagt und sich dabei versündigt, Gott ihm Vergebung und Trost zuspricht.
Wir können und sollen uns also Gott anvertrauen, der von sich sagt, dass er die Macht hat, uns vor jedem Fehltritt zu bewahren (und da, wo wir trotzdem einen Fehltritt begehen, er uns Vergebung und Trost zuspricht). Die Zuversicht in der Nachfolge “entsteht im Blick auf Gott” (Schlatter). In allen Richtungswechseln dürfen wir Zuversicht haben, weil wir auf Gott blicken – ihm folgen wir nach, in allen Kurven des Lebens. In ihm ist unser Heil.
Literatur:
Bonhoeffer, Dietrich 2008. Nachfolge. 3. Aufl. der Taschenbuchausg. I. Tödt & M. Kuske, hg. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus., S. 23ff.
Bonhoeffer, Dietrich 2011. Werke. 8: Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft / Dietrich Bonhoeffer. Hrsg. von Christian Gremmels. Vollst. Ausg., versehen mit Einl., Anmerkungen und Kommentaren, 1. Aufl. der Taschenbuchausg. C. Gremmels, hg. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 24.
Nietzsche, Friedrich 2010. Also sprach Zarathustra ein Buch für Alle und Keinen. Stuttgart: Reclam, S. 93.
Schlatter, Adolf 1954 Die Briefe des Petrus, Judas, Jakobus, der Brief an die Hebräer: Ausgelegt für Bibelleser, Bd. 9, Schlatters Erlӓuterungen zum Neuen Testament. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, S. 82.